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Carmenere Seite 4

Weinwissen
Schluss-Seite Diplomarbeit zum Weinakademiker
CARMENERE - Carsten Fuss

Angepasst

Wieso musste aus dem chilenischen Merlot ein Carmenere werden? Sicher gehörte der Drang der verschiedenen Ampelographen, diese Sorte zu enttarnen mit dazu. Massgeblich beteiligt waren jedoch die weltweiten Bestimmungen der einzelnen Ländern, allen voran der Europäischen Gemeinschaft, die in ihren Weingesetzen und Importbestimmungen eine derartige falsche Deklaration nicht tolerieren konnte. Für das chilenische Weingesetz war die genaue Deklaration des Merlot nicht ganz so wichtig. Im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten und deren Weingesetzen müssen in Chile die Rebsortenweine lediglich zu  Prozent aus der auf dem Etikett angegebenen Rebsorte bestehen. Das amerikanische Weingesetz gilt hier als Vorbild.1 So mussten nun die Forschungsanstalten, wie die Universität von Montpellier oder die Weinforschungsabteilung der University of California in Davis, fieberhaft nach Erklärungen suchen – was sie dann ja auch taten.


Rückkehr und Entdeckung

Auch in Europa wird Carmenere langsam wieder zu einem interessanten Thema. Waren es bis dahin nur die fertigen Weine, die es bis in unsere Keller geschafft haben, so sind es nun auch die Rebstöcke selber, die wieder zu Ehren kommen. Nicht nur im alten Stammland Frankreich, dem Bordeaux, ist der Carmenere wieder aktuell. Im Norden Italiens, aber auch im Osten Europas wie in Bulgarien, Ungarn, Russland, Griechenland und der Türkei werden Carmenere-Stöcke kultiviert.1 Besonders der Weinbau der nördlichen italienischen Weinregionen scheint in diesem Zusammenhang über grössere Anbauflächen der Carmenere zu verfügen. Hier wurden die Carmenere-Bestände auch häufig unter anderen Namen bezeichnet. So sind einige Synomyme, wie Cabernella oder Gros Cabernet, die in Italien verwendet werden, auch in Frankreich bekannt. Die Geschichte der Wiederentdeckung verlief aber im Grossen und Ganzen ähnlich wie in Chile. Auch in Italien entdeckte man erst Ende der 1990er-Jahre und ebenfalls anhand genetischer Untersuchungen diverser Rebsorten, dass es sich bei vielen, als Cabernet Franc eingestuften Reben, eigentlich um die verschwundene Sorte Carmenere handelte. Professor Antonio Calo vom Instituto sperimentale per la viticultura geht sogar davon aus, das fünfzig Prozent der vorhandenen Bestände von Cabernet Franc im Friuli und Trentino tatsächlich Carmenere sind.1 Laut Mario Fregoni von der Katholischen Universität Piacenza Fachbereich Viticoltura, besitzt Italien als einziges Land der Welt über acht verschiedene Klone des Carmenere, die bis dahin offiziell als Cabernet Franc verkauft wurden. Er vermutet sogar noch mehr Anbaufläche als in Chile. Laut Mario Fregoni sind zurzeit etwa 200 Hektar Rebfläche vor allem im Trentino in Norditalien mit Carmenere bestockt.1 Seit einigen Jahren werden auch Neuanpflanzungen bei Carmenere, so zum Beispiel in den Collo Berici auf dem Weingut Azienda Agricola Inama und auf dem berühmten Weingut San Leonardo im Trentino durchgeführt. Dort wird seit einigen Jahren Carmenere offiziell als Rebsorte geführt und ist sogar ein wichtiger Bestandteil des Weines «Villa Cresti» einer Cuvée aus Merlot, Cabernet Franc und Carmenere. In Frankreich werden zurzeit intensive Untersuchungen durchgeführt, um allfällige Reste der Carmenere zu entdecken. Laut öffentlichen Statistiken wurden 199 lediglich zehn Hektar Carmenere im Mutterland der Carmenere angebaut.18 Auch im nördlichen Teilen des amerikanischen Kontinents, unter anderem in Kalifornien auf dem Weingut Guenoc Wines sowie Washington State südlich der kanadischen Grenze, beginnen einige interessierte Weinproduzenten mit der Anpflanzung der Carmenere. Ob sie sich in kühleren Regionen wie Washington State durchsetzten kann, gilt abzuwarten, denn sie benötigt eben eine etwas längere Reifeperiode, um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen.
15 Quelle. Article; Carmenere on the italian scene by Michele Shah 16 Webseite Andeswine.cl 17 Mario Fregoni, Universität Piancenza, Decanter magazine, Carmenere more Italian


Erwartungen

Was erwarten die chilenischen Weinerzeuger in Zukunft von Ihrem Aushängeschild? Wie anhand der gezeigten Tabelle unschwer zu erkennen ist, verfügt die Rebsorte Carmenere nicht über riesige Anbauzonen, die sich über das ganze Land erstrecken, sondern sie belegt lediglich fünf Prozent der gesamthaft zur Verfügung stehenden Anbaufläche. Auch wenn zu erwartende Korrekturen in den nächsten Jahren gemacht werden, ist die Carmenere nur ein kleiner Teil des chilenischen Weinkuchens. Trotzdem steht diese Rebsorte für den neuen chilenischen Weinbau und hat international bereits für Aufsehen gesorgt. Dass dieses Aufsehen sich zurzeit lediglich auf Fachkreise und interessierte Weintrinker beschränkt, ist sehr schade. Aber es besteht die Chance, sich mit dieser speziellen Sorte einen Namen zu machen. Erfolgsgeschichten im Internationalen Weinbau zeigen, wie sich einzelne Weinbauregionen mit einem typischen Wein oder Rebsorte einen Namen machen konnten. Hier sind vor allem Argentinien mit Malbec, Australien mit Shiraz, Kalifornien mit Zinfandel, Spanien mit Tempranillo, Italien mit Sangiovese und Deutschland mit Riesling zu erwähnen. Ob das Weinland Chile diesen Weg beschreiten wird, können im Endeffekt nur die Konsumenten entscheiden. Doch es sieht gut aus. Bei meinen eigenen Untersuchungen, die ich bei diversen Veranstaltungen und Verkaufsgesprächen in verschiedenen Ländern durchgeführt habe, konnte ich feststellen, wie bekannt und beliebt diese Rebsorte bei vielen Weintrinkern bereits ist. Ob und wie diese Beobachtungen den Erwartungen der chilenischen Weinproduzenten entsprechen, lässt sich anhand einiger Kommentare verschiedener Weingutsbesitzer und Önologen nur erahnen. So meint der Vineyard-Manager Ricardo Rodriguez vom Weingut Santa Rita im Maipo Valley: «Die Reife der Trauben ist kein Problem, das Problem liegt in der Anfälligkeit der Rebe auf verschiedene Schädlinge. Deshalb stehen bei Santa Rita die meisten Rebstöcke auf Unterlagsreben». Da ist es kein Wunder das lediglich 19 von gesamthaft 02 Acres mit Carmenere bepflanzt sind. Anders beim Weingut De Martino im Maipo Valley, die immer mehr auf Carmenere setzen. Der Rebmeister Rene Vasquez Alarcon vom Weingut Veramonte im Casablanca Valley, der sich eher für Cabernet Sauvignon begeistern kann und Carmenere eher als Spezialität betrachtet, sieht die Zukunft dieser Rebsorte eher im Blending als in einer reinsortigen Variante. Dort allerdings könnte die grosse Chance des Carmenere liegen wie der legendäre Primus, eine Cuvée aus Merlot, Carmenere und Cabernet Sauvignon beweist. Auch das Weingut Casa Lapostolle im Rapel Valley sieht die Zukunft des Carmenere eher im Blending. Hier ist der Spitzenwein des Hauses eine Cuvée aus Merlot, Carmenere und Cabernet Sauvignon, heisst Clos Apalta und zählt bereits heute zu den Spitzenweinen des Landes. Eine weitere Stimme kommt vom Weingut Cousino Macul im Maipo Valley. Der Production-Manager Matias Rivera meint: «Carmenere ist eine schwierige Sorte, die eine längere Reifeperiode benötigt, aber mit entsprechenden Massnahmen im Rebberg und Bewässerung kann diese Sorte ausgezeichnete Weine hervorbringen.» Trotzdem setzt das Weingut Cousino-Macul ganz auf Cabernet Sauvignon und besitzt keine nennenswerte Anbaufläche für Carmenere.

Mit der Aussage von Alfredo Vidaurre vom Weingut Montes im Colchagua Valley: «Ich glaube nicht, dass man mit einem reinsortigen Carmenere einen Weltklassewein erzeugen kann», können sich einige Erzeuger chilenischen Weines sicher einverstanden erklären. Doch es gibt auch die anderen Weinproduzenten, die sich dem Carmenere verpflichtet fühlen und sogar neue Weinanbauflächen erschliessen, um die Carmenere weiter zu kultivieren und die Anbaufläche zu erweitern. Hier gilt vor allem das Weingut Errazuriz im Aconcagua Valley zu den Vorreitern. Doch wie sieht es tatsächlich aus in der Welt der Cabernet, Merlot und Chardonnay? Gerade in meinem Beruf höre ich immer wieder, sei es von Kunden oder Gästen in unserem Restaurant, wie leid sie das ewige Einerlei aus der Neuen Welt sind. Wäre das nicht die Möglichkeit für den chilenischen Weinbau, sich aus der Umarmung der Allerweltssorte Cabernet zu befreien und eine eigene Identität aufzubauen? Wie die Chancen für ein Wiederbeleben auf dem internationalen Markt stehen und wie sie sich entwickeln, liegt nicht zuletzt beim Kunden und wie er sich mit dieser speziellen Sorte anfreunden kann. Aber die Chance sich mit dieser Rebsorte zu etablieren, egal ob sie dann für den chilenischen, italienischen oder französischen Weinbau stehen, könnte nicht besser sein. Man muss kein Analytiker sein, um zu erkennen, dass der Konsument das ewige Gleiche, im Speziellen das Überangebot von Cabernet und Co., leid ist. Nun liegt es an den verschiedenen Weinproduzenten aus den beschriebenen Ländern sich diese Sorte zu Eigen machen, daraus gute ehrliche Weine zu produzieren und sie auf dem grossen Weinmarkt vielleicht als Spezialität zu etablieren.


Lösungen

Wo liegen die Möglichkeiten, um aus einem Exoten eine allseits bekannte und beliebte Rebsorte zu machen? Was müssen die Erzeuger und was der Handel tun? Allerdings müssen wir uns an dieser Stelle zuerst auch die Frage stellen, ob es uns, so wie es ist, nicht lieber ist. Möchten wir nicht gerne unseren Nachbarn mit einem speziellen Tropfen überraschen von dem er eventuell noch nie vorher etwas gehört hat. Gerade die Liebhaber spezieller Entdeckungen und Sorten möchten vielleicht gar keine Allerweltssorte. Wenn aber an der Bekanntheit des Carmenere gearbeitet werden soll, könnten folgende Massnahmen dazu beitragen:

a) Eine bessere Deklaration bei den Rebsorten auf chilenischen Weinetiketten würde sicher dazu beitragen dem Konsumenten die Carmenere und natürlich auch andere Sorten näher zu bringen. Bis jetzt ist das chilenische Weingesetz zu wenig gut strukturiert, um die Förderung spezieller Sorten zu fördern. Als gutes Beispiel könnten hier die DAC-Richtlinien für Grünen Veltliner im Weinviertel in Österreich oder anderer Regionen, die sich mit einer oder zwei Sorten etablieren, sein.

b) Eine eigene Ursprungsbezeichnung für Carmenere aus einem besonderen geeigneten Gebiet, wäre ein weiterer Ansatz.

c) Wenn man ausserdem damit beginnen würde, auch bei den versteckten Cuveés, und damit meine ich reinsortige Merlot oder Cabernet, die über einen kleinen oder grösseren Anteil Carmenere verfügen, genau zu deklarieren, dann würde der Bekanntheitsgrad des Carmenere merklich ansteigen. Als ein gutes Beispiel steht hier vor allem der australische Shiraz im Vordergrund. Hier wird inzwischen der Name Shiraz bei den meisten Cuveés miterwähnt und gilt fast schon als zusätzliches Verkaufsargument für australischen Rotwein. Wenn man bedenkt, dass die Bezeichnung Shiraz-Cabernet oder Cabernet-Shiraz fast schon als eigene Traubensorte vermarktet werden könnte, dann stehen doch die Chancen gut beim Carmenere/Cabernet Sauvignon etwas ähnliches zu versuchen. Ich wiederum sehe Carmenere nicht als den Juniorpartner des Cabernet und obwohl das von vielen so gesehen wird, sehe ich den Carmenere als gleichberechtigen Partner. Wer soviel Charakter wie der Carmenere hat, sollte nicht im Schatten eines anderen stehen. Trotzdem kann mit der Zugabe von etwas Cabernet oder Merlot der sehr würzige und allzu oft etwas grüne Carmenere etwas gefügiger und eleganter gemacht werden.

d) Die Geschichte der verschwundenen Sorte aus dem Bordeaux sollte besser vermarktet werden. «The real one» oder ähnliche Bezeichnungen könnten dazu beitragen. Bis jetzt wurde einzig die Entdeckung der Carmenere in der Weinwelt in den Vordergrund gerückt. Daraus könnte man aber sicher auch noch mehr machen.

e) Der Handel sollte sich um den Carmenere als chilenische Spezialität mehr bemühen. Tastings, Spezielle Angebote mit dem Thema Carmenere wären eine erste Stufe.

f) Berichte über diese Traubensorte in Fachmagazinen und an Veranstaltungen sind immer noch Mangelware und könnten zur weiteren Popularität der Sorte beitragen. Das sind nur einige Vorschläge, aber sie könnten rasch Wirkung zeigen und einiges zum Positiven wenden.





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